Dialog über den Umgang mit radioaktivem Abfall

Politik im Bereich radioaktiver Abfall

Die Politik im Bereich der Entsorgung radioaktiver Abfälle wird von den Vereinten Nationen und Europa bestimmt und dann in belgisches Recht umgesetzt.

Vorgaben aus Europa und von der UNO

Das Gemeinsame Übereinkommen der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) und die Richtlinie 2011/70/Euratom des Rates der Europäischen Union geben für den Umgang mit radioaktivem Abfall die Richtung vor. 

Das Gemeinsame Übereinkommen der IAEO über die Sicherheit beim Umgang mit abgebrannten Brennelementen und radioaktiven Abfällen besagt, dass „die letztendliche Verantwortung für die Sicherheit diesbezüglich [...] beim einzelnen Staat liegt“. (also der jeweiligen Regierung, Anmerkung der Redaktion)

Die Richtlinie 2011/70/Euratom des Rates verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten, nationale Strategien für die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle festzulegen, um die Arbeitskräfte und die Bevölkerung vor ionisierender Strahlung zu schützen und unnötige Belastungen für künftige Generationen zu vermeiden. Darüber hinaus ist in der Richtlinie festgelegt, dass die Öffentlichkeit die Möglichkeit haben muss, wirksam in den Entscheidungsprozess über die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle einbezogen zu werden. 

Die Richtlinie 2011/70/Euratom schreibt vor, dass die nationale Politik auf einer Reihe von allgemeinen Grundsätzen beruhen muss:

  1. 'die Erzeugung radioaktiver Abfälle wird durch eine geeignete Auslegung sowie Betriebs- und Stilllegungsverfahren (einschließlich der Weiter- und Wiederverwendung von Material) auf das hinsichtlich Aktivität und Volumen vernünftigerweise realisierbare Mindestmaß beschränkt';
  2. 'die wechselseitigen Abhängigkeiten der einzelnen Schritte bei der Entstehung und Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle werden berücksichtigt';
  3. 'abgebrannte Brennelemente und radioaktive Abfälle werden sicher entsorgt; langfristig sind auch die Aspekte der passiven Sicherheit zu berücksichtigen';
  4. 'die Durchführung von Maßnahmen erfolgt nach einem abgestuften Konzept';
  5. 'die Kosten der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle werden von denjenigen getragen, die dieses Material erzeugt haben';
  6. i'n Bezug auf alle Stufen der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle kommt ein faktengestützter und dokumentierter Entscheidungsprozess zur Anwendung'.

Darüber hinaus schreibt die Richtlinie 2011/70/Euratom eindeutig die unterirdische oder tiefe Lagerung vor, um hochaktive und/oder langlebige Abfälle langfristig von Mensch und Umwelt zu isolieren:

'Radioaktive Abfälle, einschließlich abgebrannter Brennelemente, die als Abfall angesehen werden, müssen eingeschlossen und langfristig vom Menschen und der belebten Umwelt isoliert werden.  Ihre spezifischen Eigenschaften, nämlich Radionuklide zu enthalten, verlangen spezielle Vorkehrungen, um die Gesundheit des Menschen und die Umwelt vor den Gefahren durch ionisierende Strahlung zu schützen, einschließlich der Endlagerung in geeigneten Anlagen als Endverbleib. Die Lagerung radioaktiver Abfälle — einschließlich der Langzeitlagerung — ist eine Übergangslösung, aber keine Alternative zur Endlagerung'.

Weiterhin: 

'Das typische Endlagerungskonzept für schwach- und mittelaktive Abfälle ist die oberflächennahe Endlagerung. Auf fachlich-technischer Ebene ist weitgehend anerkannt, dass die Endlagerung in geologischen Tiefenformationen derzeit die sicherste und ökologisch tragfähigste Option als Endpunkt der Entsorgung hochradioaktiver Abfälle und abgebrannter Brennelemente, die als Abfall angesehen werden, darstellt. Zwar sind die Mitgliedstaaten weiterhin für ihre jeweilige Politik in Bezug auf die Entsorgung ihrer abgebrannten Brennelemente und ihrer schwach-, mittel- oder hochradioaktiven Abfälle verantwortlich, sie sollten aber die Planung und Umsetzung von Endlagerungsoptionen in ihre nationale Politik einbeziehen. Da sich Einrichtung und Ausbau eines Endlagers über viele Jahrzehnte erstrecken werden, wird in vielen Programmen dem Umstand Rechnung getragen, dass sie flexibel und anpassbar bleiben müssen, z. B. um neue Erkenntnisse über Standortbedingungen oder etwaige Weiterentwicklungen des Entsorgungssystems berücksichtigen zu können'. 

Sowohl die EU als auch das Gemeinsame Übereinkommen sind der Ansicht, dass jedes Land selbst für die sichere Entsorgung aller Arten von radioaktiven Abfällen verantwortlich ist, die es erzeugt oder erzeugt hat. Die Abfälle müssen in dem Land entsorgt werden, in dem sie anfallen, es sei denn, die Länder arbeiten an gemeinsamen Entsorgung und einigen sich miteinander auf die Bedingungen, unter denen die Abfälle aus einem Land in einem anderen Land endgelagert werden. Außerdem kann dies nur unter strengen Bedingungen geschehen, die in der Richtlinie 2011/70/Euratom festgelegt sind.

Das Gemeinsame Übereinkommen und die Richtlinie 2011/70/Euratom sind in belgisches Recht umgesetzt

Das Gemeinsame Übereinkommen der IAEO wurde von Belgien 2002 rechtsverbindlich ratifiziert. Die Richtlinie 2011/70/Euratom wurde durch das Gesetz vom 3. Juni 2014 ebenfalls bereits in belgisches Recht umgesetzt. Darin ist festgelegt, dass die Nationale Einrichtung für radioaktive Abfälle und angereicherte spaltbare Materialien (NERAS) dem Ministerrat und dem König Vorschläge für die Politik im Bereich der Entsorgung radioaktiver Abfälle und abgebrannter Brennelemente unterbreiten wird. 

Als Endlager für die langfristige Entsorgung schwach- und mittelaktiver, kurzlebiger Abfälle - Kategorie A - entscheidet sich Belgien für die Entsorgung in speziell dafür vorgesehenen Endlagern oder oberirdischen Bunkern. Diese Entscheidung wurde am 23. Juni 2006 vom föderalen Ministerrat auf Vorschlag von NERAS nach jahrelanger wissenschaftlicher und technologischer Forschung und umfassender Konsultation der Öffentlichkeit und der Interessengruppen getroffen, wobei der Schwerpunkt auf den lokalen Gemeinschaften der Standorte lag, für die die Abfälle letztendlich bestimmt sind. Dieses Oberflächenendlager schirmt die Abfälle für mehrere hundert Jahre von der Außenwelt ab. Der Standort wird auf dem Grundgebiet der Gemeinde Dessel errichtet. 

Ein erster Vorschlag für die Endlagerung der hochradioaktiven und langlebigen Abfälle wurde der Regierung 2011 vorgelegt. Dieser Vorschlag beruht auf der Grundlage der Schlussfolgerungen des so genannten NERAS-Abfallplans und des dazugehörigen Umweltverträglichkeitsberichts. Im Abfallplan wurde auch eine Präferenz für weichen Ton als Wirtsgestein für die geologische Endlagerung zum Ausdruck gebracht. 

Der Abfallplan und der dazugehörige Umweltverträglichkeitsbericht wurden, wie gesetzlich vorgeschrieben, unter anderem der FANK (Föderalagentur für Nuklearkontrolle) zur Stellungnahme vorgelegt. Die FANK bestätigte zwar, dass die Fähigkeit von weichem Ton wie in Boom, radioaktive Stoffe zu halten, nicht in Frage gestellt wird, hielt aber die Wahl einer Wirtsformation für die geologische Endlagerung zum damaligen Zeitpunkt für verfrüht. Die politischen Entscheidungsträger auf föderaler Ebene schlossen sich 2016 über die für NERAS zuständigen Fachministerien dem Rat der FANK an. Sie beschlossen, zu diesem Zeitpunkt keine Entscheidung bezüglich des Wirtsgesteins zu treffen.

NERAS hat daher 2018 einen neuen Vorschlag in Form eines Vorentwurfs für einen königlichen Erlass ausgearbeitet, der die Grundlage für politische Maßnahmen zur langfristigen Entsorgung von radioaktiven Abfällen der Kategorien B und C bilden soll. Dieser Vorschlag wird von NERAS als Planentwurf bezeichnet und schlägt „ein System der geologischen Endlagerung auf belgischem Hoheitsgebiet“ als Endbestimmung für diese Abfälle vor. 

Im Gegensatz zum früheren Abfallplan sind die vorgeschlagenen Maßnahmen nun eher konzeptionell und allgemein gehalten. Es wird kein Aspekt des zu entwickelnden und umzusetzenden Entsorgungssystems spezifiziert: weder das Wie (Entsorgungskonzept und die Umsetzungstechniken), noch das Wo (geologische Wirtsformation und Gestein, in dem die Entsorgung erfolgen soll, die Tiefe und der Standort), noch das Wann (wann die Anlage gebaut wird, die Abfälle entsorgt werden, wann das Endlager verschlossen wird...).

Der Planentwurf wurde einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen. Dieser von NERAS erstellte Umweltverträglichkeitsbericht oder SEA (Strategic Environment Assessment) enthält die Auswirkungen, deren Bewertung in der Phase der Genehmigung der Grundsatzentscheidung nützlich und relevant ist, sowie deren Beschreibung. Die nachfolgenden politischen Entscheidungen und die Vorbereitungen für die Umsetzung der Grundsatzentscheidung werden neue und detailliertere Folgenabschätzungen erforderlich machen.

Der Planentwurf und der Umweltverträglichkeitsbericht wurden dem Beratenden Ausschuss SEA, dem Föderalen Rat für nachhaltige Entwicklung (FRDO-CFDD), den Regionalregierungen und der FANK zur Stellungnahme vorgelegt. Die Öffentlichkeit wurde ebenfalls befragt.

Wichtig ist auch die Feststellung von NERAS, dass weitere inkrementelle Entscheidungen auch durch „den Zeitraum, der erforderlich ist, um die Wahl eines Endlagers zu bestimmen und diese Wahl umzusetzen" beeinflusst werden. Die Forschung zur geologischen Lagerung in Belgien begann so Mitte der 1970er Jahre. In ihrer Referenzplanung schätzt NERAS aufgrund von Rückmeldungen aus dem Oberflächenlagerprojekt (für radioaktive Abfälle der Kategorie A, Anm. d. Red.) und aus ausländischen Projekten, dass die Zeit zwischen der Verabschiedung des ersten Teils der Nationalen politischen Maßnahme (mit der Grundsatzentscheidung zur geologischen Endlagerung, Anm. d. Red. ) für die langfristige Entsorgung hochaktiver und/oder langlebiger Abfälle und der Errichtungs- und Betriebsgenehmigung für das geologische Endlager etwa 30 Jahre betragen wird. Die eigentliche Einlagerung der Abfälle mit hoher Halbwertszeit (Kategorie B) in das Endlager würde in etwa 50 Jahren beginnen und etwa 20 Jahre dauern. Die Einlagerung hochradioaktiver Abfälle (Kategorie C) in das Endlager kann erst in etwa 100 Jahren beginnen und wird etwa ein Jahrzehnt dauern.'

Königlicher Erlass für die Kategorien B und C

Am 28. Oktober 2022 wurde durch einen königlichen Erlass, auf Vorschlag von NERAS, eine erste nationale Politik für die langfristige Entsorgung von hochaktiven und/oder langlebigen Abfällen verabschiedet. Hier geht es zunächst die grundsätzliche Entscheidung, als Endlager für diese Abfälle ein geologisches Endlager auf belgischem Grundgebiet zu wählen, bei dem die Abfälle in einer Anlage untergebracht werden, die in einer stabilen Schicht tief unter der Erde gebaut wird, so dass sie für Hunderttausende von Jahren von Mensch und Umwelt isoliert bleiben

Die Wahl von unter anderem Wirtsgestein, Standort, Einlagerungsvariante, Einlagerungstiefe, Einlagerungsbedingungen, konkreter Umsetzungsplanung wird in Zukunft nach weiteren Untersuchungen und Beratungen stattfinden müssen. 

Quellen:

International Atomic Energy Agency, Joint Convention on the Safety of Spent Fuel Management and on the Safety of Radioactive Waste Management, INFCIRC/546, 24 December 1997

Richtlinie 2011/70/Euratom des Rates vom 19. Juli 2011 über einen Gemeinschaftsrahmen für die verantwortungsvolle und sichere Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle.

Gesetz vom 2. August 2002 über die Zustimmung zu dem Gemeinsamen Übereinkommen über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle, unterzeichnet in Wien am 5. September 1997, Belgisches Staatsblatt vom 25. Dezember 2002.

3. JUNI 2014. - Gesetz zur Änderung von Artikel 179 des Gesetzes vom 8. August 1980 über die Haushaltsvorschläge 1979-1980 im Hinblick auf die Umsetzung der Richtlinie 2011/70/Euratom des Rates vom 19. Juli 2011 über einen Gemeinschaftsrahmen für die verantwortungsvolle und sichere Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle in innerstaatliches Recht.

NERAS. Projekt zur Oberflächenlagerung in Dessel

NERAS, Zusammenfassung des Abfallplans für die langfristige Entsorgung konditionierter hochaktiver und/oder langlebiger Abfälle und Überblick über die damit verbundenen Fragen, Bericht NIROND 2011-04 N, 2011' und 'NERAS, Abfallplan für die langfristige Entsorgung von konditionierten hochaktiven und/oder langlebigen Abfällen und Überblick über damit zusammenhängende Fragen, Bericht NIROND 2011-02 N, 2011'. 

NERAS, Bericht über die strategische Umweltverträglichkeitsprüfung (SEA) für den Vorentwurf des königlichen Erlasses zur Festlegung des Genehmigungsverfahrens für die nationale Politik zur langfristigen Entsorgung von konditionierten hochaktiven und/oder langlebigen Abfällen und zur Festlegung der langfristigen Entsorgungslösung für diese Abfälle, Bericht NIROND-TR 2020-07 N, 2020.

''Königlicher Erlass zur Festlegung des ersten Teils der nationalen Politik für die langfristige Entsorgung hochaktiver und/oder langlebiger radioaktiver Abfälle und zur Klärung des schrittweisen Verfahrens für die Annahme der anderen Teile dieser nationalen Politik', 'Bericht an den König' und 'Königlicher Erlass', veröffentlicht im Belgischen Staatsblatt am 22. November 2022.

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